Newsletter Nr. 3 – Ausgewandert!

Liebe Freunde,
es war 05:30 Uhr als wir am 1. Juli mit dem geliehenen VW-Bus am Flughafen Amsterdam Schiphol eintrafen. Die Fahrt durch die Nacht ging gut, wenig Verkehr, zwei schlafende Kinder auf der Rückbank und zwei wache Fahrer im Cockpit. Ein bisschen komisch war das Gefühl schon, ohne Tickets oder irgendetwas Schriftliches an den Flughafen zu kommen. Wir wussten nur, dass uns um 9 Uhr ein humanitärer Flug von KLM nach Lima bringen sollte. Dies wurde uns vom Missionsleiter Klaus John per Telefon mitgeteilt. Der peruanische Botschafter in Berlin und das peruanische Aussenministerium hätten alles organisiert. Für uns, sowie eine weitere Ärztefamilie, eine Krankenschwester und das Ehepaar John, seien 12 Sitzplätze reserviert.
Am Flughafen in Amsterdam
Unsere ehrenamtlichen Fahrer Diego und Refael halfen uns nach der langen Fahrt auch noch mit dem Gepäck. 10 Koffer wurden auf 4 Gepäckwagen geladen und wir marschierten mit Mundschutz in Richtung KLM-Counter. Am Check-in wies man uns ab, wir müssten zuerst am KLM-Shop ein Ticket kaufen. Dort zeigte ich unsere Pässe und erzählte vom Botschafter. Die Dame ging mit den Pässen ins Backoffice und kam mit einem Lächeln zurück. «You are on the list.» Das tönt doch gut. Ich bezahlte die Tickets, 770.- Euro pro Person plus 4 x 100.- Euro für die zusätzlichen Koffer. Nun gab es ein IT-Problem: Der Computer wollte uns nicht auf den Flug setzen, da wir als Ausländer aktuell keine Berechtigung haben nach Peru einzureisen. Die Dame telefonierte rum doch es dauerte alles zu lange, ich wurde ungeduldig und verlangte unsere Pässe zurück um es am Check-in Schalter zu versuchen. Dort die gleiche Antwort, es musste irgendein Vorgesetzter bestätigen, dass wir wirklich auf dieser Liste der peruanischen Regierung sind und wirklich reisen durften. Nach etwas Überzeugungsarbeit mit Hilfe von Dr. John klappte es dann. Wir gaben über 200kg Gepäck auf und machten uns mit den Tickets auf den Weg zum Gate. Als wir dort um 08:20 Uhr ankamen lief bereits das Boarding und mit Kindern durften wir sofort einsteigen. Ausser den Gesichtsmasken war es ein ganz gewöhnlicher Flug. Das gute Unterhaltungsprogramm und genügend Snacks sorgten dafür, dass wir trotz zwei kleinen Kindern die 12-stündige Reise ganz angenehm verbrachten.
Entspannter 12-Stunden Flug.
Wir landeten um 15 Uhr Ortszeit auf einem Militärflughafen in Lima. Von einem Mitreisenden wurde uns gesagt, dass alle Passagiere in ein Hotel gebracht würden wo man einige Tage Quarantäne halten müsste. Mit Bussen wurden wir vom Rollfeld zu einem grossen Zelt gebracht, dort wurde Temperatur gemessen und ein Fragebogen zu COVID-Symptomen ausgefüllt. Als die Dame von der Migrationsbehörde unsere Pässe anschaute sagte sie: „Sie sind Schweizer? Sie dürfen aktuell nicht nach Peru einreisen.“ Ich erzählte ihr dass wir als Ärzte für Diospi Suyana kommen und auf einer speziellen Liste stehen, Klaus John war gerade in der Nähe und zeigte ihr den Brief vom Premierminister. Sie verschwand daraufhin mit unseren Pässen in einem Gebäude und als sie wiederkam hatten wir einen Einreisestempel mit 90 Tagen! Und nicht nur das, wir erhielten auch die Möglichkeit direkt am Flughafen einen Antikörper-Schnelltest zu machen. Dieser war bei allen 12 negativ und wir mussten daher nicht ins Quarantäne-Hotel, sondern durften in unser privates Domizil. Alle anderen Passagiere mussten wieder in die Busse einsteigen und wurden in die Hotels gebracht. Wir waren sehr dankbar über diese Sonderbehandlung, auch wenn das ganze 5 Stunden dauerte. Es war bereits dunkel und wurde kalt und die Kinder weinten vor Müdigkeit nach der langen Reise inklusive Jetlag. Wir zwängten uns mit 30 Koffer in einen 16-Plätzer und fuhren todmüde aber überglücklich ins Gästehaus auf der anderen Seite der Stadt.
Auf dem Rollfeld des Militärflughafen Lima.
Ankunft in Lima
Temperaturmessung, Fragebogen und Migrationsbehörde auf Plastikstühlen im Zelt.
Nach negativem Antikörper-Schnelltest durften wir gehen. 30 Koffer und 12 Leute in einem 16-Plätzer.
Die Tage im wunderschönen und grosszügigen Gästehaus waren dringend notwendig um uns auszuruhen und den ganzen Reisestress zu verarbeiten. Die Kinder konnten miteinander im grossen Wohnzimmer und im Garten spielen. Samuel fand seinen ersten peruanischen amigo Matteo, der Sohn vom Gästehaus-Bewirtschafter (s. Foto). Am 7.7. feierten wir Nathans 1. Geburtstag und alle waren gesund und munter. Da es noch keine Inlandflüge gab, planten wir unsere Weiterreise nach Curahuasi mit einem Bus. Es war schon ein kleines Wunder, dass Doris Manco, die Leiterin vom Diospi-Medienzentrum, einen 32-Plätzer-Reisebus (wegen den vielen Koffern) für einen sehr günstigen Preis organisieren konnte. Denn die Departamentsgrenzen waren erst seit ein paar Tagen wieder offen und es gab noch so gut wie keinen Fernreiseverkehr.
Im Gästehaus in Lima: Samuel’s erster peruanischer Freund Matteo.
Nathan’s erster Geburtstag am 07.07. mit Torte «Selva negra»
Im Garten des Gästehauses.
Am Donnerstag 9. Juli um 4 Uhr ging es los. Die 30 Koffer waren rasch verstaut im grossen Gepäckraum und jeder Passagier hatte mindestens zwei Sitzplätze wenn nicht eine ganze Reihe für sich. Anstrengend war es trotzdem: 19 Stunden im Bus, 960km welche fast nur aus Kurven bestanden und mehrere längere Abschnitte auf über 4000m Höhe. Die Landschaft aber wunderschön, kalte Bergseen und grosse Herden von Alpacas, Lamas und Vicuñas. Um 23 Uhr waren wir in Curahuasi und luden unser Gepäck auf einen Pick-up, weil der Bus nicht bis zu unserem Haus hochfahren kann. Die Strasse vor unserem Haus ist nämlich steil und ähnelt einem Bachbett.  Wir waren so glücklich endlich angekommen zu sein und freuten uns riesig darüber, dass unser neues Zuhause von den Vorgängern bereits sehr gut eingerichtet war.
Bereits ein paar Stunden unterwegs im komfortablen Bus.
Auf einer Hochebene auf ca. 4’500m Höhe.
Endlich in Curahuasi angekommen. Vor dem letzten steilen Stück wird das Gepäck noch mit Spanngurt gesichert.
Jetzt sind wir bereits über eine Woche hier und fühlen uns sehr wohl in unserer Wohnung. Wir haben schon einige andere Diospi-Missionare kennengelernt und wurden sehr herzlich willkommen geheissen. Die letzten Tage habe ich damit verbracht alle Dokumente zusammenzustellen um meine Arztlizenz zu beantragen. Die Dossiers sind nun fertig und Klaus John bringt sie in den nächsten Tagen nach Lima. Während unserem Aufenthalt in Lima konnte er sich mit dem Dekan der nationalen Ärztekammer treffen und dieser hat für neu ankommende Diospi-Ärzte die Erteilung einer temporären Lizenz für 6 Monate mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung versprochen. Die definitive und unbefristete Lizenz werden wir auch gleich versuchen zu beantragen, obwohl hier im Moment noch nicht klar ist ob und wie das klappen wird. Claudia wird ab dem 10. August in der Schule anfangen, nach einem Monat Einarbeitungszeit wird sie im September die Leitung des Kindergartens übernehmen. Dort arbeiten aktuell 4 Kindergärtnerinnen mit je einer Gruppe. Ich werde voraussichtlich am 1. September die Arbeit am Spital aufnehmen, sofern ich bis dann die temporäre Lizenz habe. Die chirurgischen Fachgebiete werden momentan, von einer Viszeralchirurgin, einem Gefässchirurgen und einem Urologen abgedeckt. Da die Traumatologie aktuell vakant ist, werde ich mich vorerst damit beschäftigen. Die Zeit bis zum 1. September werde ich nutzen um mich auf die Arbeit vorzubereiten, insbesondere auch um das Inventar an Implantaten zur Frakturversorgung im Spital kennenzulernen.

Wir grüssen Euch herzlich aus dem sonnigen Curahuasi und möchten allen ganz herzlich danken für die Unterstützung mit Spenden und Gebeten!

Eure Familie Steffen
Vor unserem neuen Zuhause.
Aussicht von unserer Dachterasse.

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