Newsletter Nr. 2 – Auswandern in Coronazeiten

Liebe Freunde,

heute am 10. Juni 2020 würden wir eigentlich im Flugzeug sitzen und nach Südamerika auswandern. Wenn da nicht dieses neue Coronavirus wäre. Der Flug wurde annulliert, die durchführende Fluglinie Avianca meldete Konkurs an und die Grenzen von Peru sind weiterhin geschlossen und sogar für Peruaner ist es momentan schwierig in ihr Land zu gelangen. Die Zahl der positiv getesteten steigt täglich um mehrere Tausend und hat heute die 200’000 überschritten (s. Grafik). Somit liegt Peru auf Platz 8 im internationalen Vergleich. Die bereits früh (am 11. März) verhängte und sehr streng kontrollierte Quarantäne hat leider nicht das erhoffte Ergebnis gebracht. Da etwa 70% der Peruaner informell arbeiten, sind viele aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation schlicht dazu gezwungen ihr Haus zu verlassen um etwas Geld zu verdienen. 

Wir rechnen damit, dass Peru seine Grenzen frühestens im August oder September wieder öffnen wird, so wie es andere lateinamerikanische Länder (u.a. auch Kolumbien) bereits angekündigt haben. Wir haben daher auch unseren Besuch bei Claudias Familie in Kolumbien abgesagt und wollen lieber direkt nach Peru reisen. Um nicht zu riskieren, dass ich jetzt mehrere Monate lang ohne Arbeit bleibe, habe ich mich wieder bei meinem ehemaligen Chef gemeldet. Prof. Rosenberg ist mir sehr verständnisvoll entgegengekommen und hat mich sofort und auch noch mit flexiblen Kündigungsbedingungen wieder eingestellt. Ich arbeite jetzt im Juni Teilzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und ab Juli könnte ich wieder als Oberarzt arbeiten. Falls sich aber doch noch früher eine Reisemöglichkeit ergibt, wäre ich jederzeit frei zu kündigen…

Seit unserem letzten Newsletter vor zwei Monaten ist einiges passiert: ich hatte am 8. Mai meinen letzten Arbeitstag im Spital und mich von meinen Arbeitskollegen verabschiedet. Die restlichen 3 Mai-Wochen waren wir zu Hause und haben die Vorbereitungen für die Ausreise vorangetrieben: unter anderem viel Papierkram für die Diplomanerkennung und den Visumantrag. Wegen meiner Arbeit im Corona-Referenzspital, durfte ich ein TV-Interview für die SRF-Sendung Fenster zum Sonntag geben, welches am 02. Mai ausgestrahlt wurde (online noch abrufbar). Am 22. Mai hatten wir den ganzen Tag ein Filmteam vom deutsch-französischen Sender ARTE bei uns. Sie werden uns im Herbst nochmal in Peru besuchen und dann im November eine 30-minütige Doku über uns und Diospi Suyana auf ARTE und auf SWR ausstrahlen.

Das Zusammenleben im gleichen Haushalt mit meinem Vater funktioniert weiterhin gut. Wir sind ihm sehr dankbar, dass wir gratis bei ihm wohnen dürfen und so viel Platz im Haus und Garten geniessen dürfen. Samuel geht dreimal pro Woche in die Spielgruppe in Diegten und er freut sich jedesmal riesig. Er fragt auch inzwischen fast täglich wann wir denn nach Peru gehen. Der kleine Nathan ist einfach zuckersüsss, er wird am 7. Juli ein Jahr alt und macht in seiner Entwicklung grosse Fortschritte. Das Durchschlafen gehört leider noch nicht dazu… Gute Neuigkeiten sind auch, dass der Einbürgerungsantrag von Claudia bewilligt wurde und sie jetzt kurz vor unserer Ausreise noch Schweizer Bürgerin geworden ist.

Vorgestern am späten Abend, ruft mich der Krankenhausdirektor und Gründer von Diospi Suyana Dr. Klaus John aus Peru an. Er war gerade vier Tage in Lima und hat sich dort mit hochrangigen Politikern getroffen. Das Land brauche dringend Ärzte und möglicherweise öffnet sich hier eine Tür für uns, um doch früher ins Land zu kommen. Auch das Erlangen einer Arztlizenz (sonst ein sehr mühsamer und langwieriger Prozess) könnte in der aktuellen Corona-Situation deutlich beschleunigt werden. Falls es klappt, können wir evtl. bereits Ende Juni mit einem «humanitären» Flug nach Peru einreisen.

Auch Claudia wird in der Diospi Suyana Schule dringend gebraucht. Da die Regierung beschlossen hat, die Schulen landesweit nicht vor Jahresende wieder zu öffnen, musste mit viel Aufwand ein Fernschulprogramm auf die Beine gestellt werden, damit die Schüler das Schuljahr abschliessen können. Dieses Programm wurde von der Regionalregierung abgesegnet und die Umsetzung erfordert jetzt vollen Einsatz von den Lehrern.  

Unsere Situation ist also im Moment sehr herausfordernd, da wir nicht wissen ob wir bereits in zwei Wochen oder doch erst in zwei Monaten auswandern werden. Wir versuchen uns so gut wie möglich auf beide Szenarien vorzubereiten: Koffer packen, Versicherungen kündigen, Auto verkaufen, uns verabschieden, usw… Was uns sehr motiviert sind die vielen Spendenzusagen, welche wir erhalten haben! Es sind bis jetzt knapp 80% von unserem monatlichen Budget gedeckt. Wir danken allen Unterstützern von ganzem Herzen!

Am Sonntag 21. Juni werden wir in unserer Heimatgemeinde ICF Basel offiziell im Gottesdienst verabschiedet (10:30 Uhr und 19:00 Uhr). Man muss einige Tage im Voraus auf der Homepage einen Sitzplatz reservieren oder man kann den Gottesdienst im Livestream verfolgen.

Vorausgesetzt, dass wir dann noch hier sind, würden wir gerne am Samstagnachmittag 27. Juni ein Abschiedsfest veranstalten. Weitere Infos folgen. Es wäre schön, wenn wir uns noch von möglichst Vielen persönlich verabschieden könnten. 

Wir werden Euch auf dem Laufenden halten in dieser spannenden Zeit und senden Euch allen herzliche Grüsse!

Eure Familie Steffen

2 Antworten auf „Newsletter Nr. 2 – Auswandern in Coronazeiten“

  1. Ich wünsche Euch viel Nerven in dieser nervenaufreibenden Zeit. Möge Gott Euch einfach Seinen Frieden ins Herz geben, trotz aller Ungewissheit, so dass Ihr mutig und fröhlich weitergehen könnt!

    Wir freuen uns, wenn wir Euch bald hier in Curahuasi haben 🙂

    Liebe Grüße y hasta pronto!

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